Fakten, Zahlen, Zusammenhänge

Inhalt:

  1. Teil: Attraktivierung des jeweils effizientesten Verkehrsmittels belebt die Wirtschaft
    1. Intervall, Gefäßgröße und Verkehrsanteil
    2. Der große Unterschied zur Normalspurstrecke nach Bruck
    3. Unzmarkt – Tamsweg mit 66,5 km/h Reiseschnitt ohne Streckenbegradigung
    4. Ein unseriöses Positionspapier der Landesbahndirektion
    5. Hybridantrieb mit Doppelschichtkondensator als Speicher
    6. Schätzung und Gegenüberstellung von Investitionsaufwand und Effekt
    7. Resümee

 

1. Attraktivierung des jeweils effizientesten Verkehrsmittels belebt die Wirtschaft

90 Prozent des Personenverkehrs läuft im Bezirk Murau per PKW 10. Beschaffung und Betrieb kosten jährlich über 90 Millionen Euro Kaufkraft. Das ist ein Fünftel der regionalen Wirtschaftsleistung 11.

Raumordnung (= Verkehrsvermeidung) und attraktive „Öffis“ (= Verkehrsverlagerung) können diesen Verlust halbieren. Zwei von drei Bedingungen dafür sind ja erfüllt: Erstens ballt sich in weiten Teilen des Bezirks die Besiedlung in meist schmalen Talsohlen. Zweitens macht auch die Haltestellendichte das Netz gut erreichbar. Doch drittens schließen sich „Öffis“ mangels Taktdichte selber von breiten Marktsegmenten aus. Tabelle 3 vergleicht „Öffi“-Angebot und Verkehrsmarkt. Dieser ist aus der Dichte des motorisierten Individualverkehrs ablesbar. Der angeführte Wert ist der Tagesdurchschnitt vom Streckendurchschnitt Scheifling – Predlitz. Im Streckenverlauf schwankt er um den Faktor 2 bzw. 0,5, im Tagesverlauf um jeweils fast einen Stellenwert.

Tab.3
Intervall Reiseschnitt mittlere Besetzung Energie ab Zapfsäule Verkehrsanteil
Motorisierer.Individualverkehr 0,5 Min. 70 km/h 1,2 Personen 2100 kJ/Pers.km 88%
Öffentlicher Linienverkehr 120 Min. 40 km/h 45 Personen (Zug) 550 kJ/Pers.km 8%

Die Intervalle differieren um den Faktor 240. Das ist das Problem – nicht die unterstellte Langsamkeit.

1.1. Intervall, Gefäßgröße und Verkehrsanteil

Ein Drittel der Bevölkerung des Bezirks lebt im Murtal, je ein weiteres in den nördlichen Seitentälern bzw. im Raum St.Lambrecht – Neumarkt – Mühlen. Gute „Öffi“-Erschließung dieser Räume ist ohne prompte Bahnanschlüsse der Busse in und aus beiden Richtungen nicht möglich. Sie ist also auf dichte Zugfolge angewiesen. Andererseits braucht auch die Bahn die Zubringerbusse zur Auslastung jener Taktdichte, ohne die sie selbst im Murtal am Markt vorbeiwirtschaftet. Ferner verbessern diese Busse auch innerorts die Erreichbarkeit der Bahn. Und logischerweise erfordern kurze Intervalle kleine, kostengünstig einsetzbare Fahrzeuge.

Dieseltriebwagen + Steuerwagen
Murtalbahn derzeit:
dieselelektrischer Triebwagen +
antriebsloser Steuerwagen, 4 kW/t
Normalspurschnellbahn
Normalspur-S-Bahn,
12 kW/t
Schmallspurschnellbahn der NÖVOG
Schmalspur-S-Bahn
der NÖVOG
14 kW/t
Hybridtriebwagen
Hybridtriebwagen, konzipiert für Vollkostendeckung bei durch=
schnittlich 15 Fahrgästen und entsprechender Taktverdichtung
Dauerleistung 10 kW/t, Anfahrleistung 45 kW/t
Tab.4
Auswertung der Szenarien (im Murtal) Intervall Haltestel-lenabstand mittlere Besetzung Energie (MJ) pro Verkehrsanteil (12) Abgasbilanz: inklusive PKW
Halt Pers.km
2 Elektr.Normalspur-S-Bahn 120 Min. 23 km 20 Pers. 15 0,55 4 % + 6 %
3 Elektr.Schmalsur-S-Bahn 60 Min. 1,95 km 30 Pers. 6,6 0,27 13% -5 %
4 Hybridtriebwagen 15 Min. 1,79 km 15 Pers. 4 0,28 30 % – 20 %

Das schlechte Ergebnis der Normalspur-S-Bahn hat zwei Ursachen: Erstens führt die angepeilte Fahrzeitkürzung schwerer Züge zum Auflassen fast aller Zwischenhalte. Zweitens heißt Normalspur zwangsläufig Gabelung der Zugläufe in Unzmarkt. Heute bieten 70 Prozent aller Züge aus Bruck in Unzmarkt Anschluss nach Murau, dann hingegen nur noch jeder zweite. Die Tendenz, von Murau nach Unzmarkt zum Zug per Auto zu fahren, würde durch Normalspur also verstärkt statt eingedämmt.

Auch die Gelder für Elektrifizierung wären effizienter zur Adaptierung der Strecke für Viertelstundentakt genutzt: Verkehrsverlagerung durch striktes Attraktivieren der Bahn spart vielmehr Energie als der Fahrdraht.

Ferner wäre es unklug, die Gefäßgröße einem einzigen morgentlichen Kurs anzupassen. Entlastungsbusse sind ökonomisch und ökologisch besser als finanziell und fahrdynamisch mitzuschleppende Überkapazität.

Und letztlich sind 30 bis 60 Jahre Nutzungsdauer für Schienenfahrzeuge üblich. Autonomes Fahren ist also in die Entscheidung einzubinden. Für die dann neue Chance, durch weitere Taktverdichtung weitere Verkehrsanteile zu gewinnen, wären Einheiten nach Szenario 2 und 3 viel zu groß.

1.2. Der große Unterschied zur Normalspurstrecke nach Bruck

Mangels Transit muss die Murtalbahn ihre Auslastung am regionalen Verkehrsmarkt aquirieren. Der verteilbare Kuchen folgt der Einwohnerzahl. Diese ist entlang der ÖBB-Strecke so groß, dass Regionalzüge dort vom leicht bedienbaren, aber kleinen Mittelstreckensegment „leben“ können. Da reicht Stundentakt. Die Murtalbahn aber kann es sich nicht leisten, weiter am größten Segment ihres kleinen Marktes vorbeizuwirtschaften. Das ist die alltägliche Kurzstreckenmobilität. Und die braucht den Viertelstundentakt.

Je kleiner der Markt, umso größer muss der Verkehrsanteil der „Öffis“ sein, damit sie effizient und möglichst kostendeckend arbeiten können. Die topografisch gegebene Siedlungsstruktur unterstützt das.

1.3. Unzmarkt – Tamsweg mit 66,5 km/h Reiseschnitt ohne Streckenbegradigung

Etwa 80 Prozent der Zuglaufkosten sind zeitabhängig. Bei vertretbarer Fuhrparkgröße verlangt die unerlässliche Taktdichte raschen Umlauf. Der ergibt sich teils durch Entfall unproduktiver Stehzeiten in den Endstellen, vor allem aber aus jenem Beschleunigungspotential, das ohne Mehraufwand kurzfristig umsetzbar ist:

Tab.5
Fahrzeit Unzmarkt-Tamsweg derzeit 96 Min. Maßnahmen:
kürzere Aufenthalte -16 Min breite, barrierefreie Einstiege + automatengestütztes Tarifsystem statt Kassa beim Wagenführer
signalabhängige Weichenverriegelung -6 Min. vorhandenen Kabelkanal nutzen
mehr Antriebsleistung je Tonne -11 Min. Hybridantrieb
höhere Fahrgeschwindigkeit -5 Min Pos. 4 + zeitgemäße Sicherungstechnik
erzielbare Fahrzeit Unzmarkt–Tamsweg 58 Min. nur Pos. 2, 3, 4 und 5

Pausen beruhen auf regelmäßiger Ablöse. Die teuren Fahrzeuge hingegen werden kontinuierlich genutzt.

1.4. Ein unseriöses Positionspapier 13 der Landesbahndirektion …

… verheißt von Judenburg nach Murau statt derzeit 51 Minuten (fälschlicherweise wurden 58 Minuten angegeben) 34 Minuten Reisezeit. Es verschweigt aber, dass dafür 75 Prozent der Zwischenhalte entfallen. Ferner wird der durch Barrierefreiheit beschleunigte Fahrgastwechsel bei neuen Dieseltriebwagen ignoriert, bei den beiden Elektrovarianten aber berücksichtigt. Gleiches gilt für die Zeitersparnis durch Reform des anachronistischen Tarifsystems (siehe Tab. 5 Zeile 2). Und letztlich weckt die Dieselvariante den Eindruck, die Entwicklung der Antriebstechnik sei nach der Ära Mayr spurlos an der Landesbahndirektion vorbeigegangen. Das Eisenbahnwesen ist eben vielschichtig. Und Führungskräfte, die es recht gut verstehen, innerhalb eines vorgegebenen Systems durch schlanke Betriebsstrukturen so manche Marktlücke im großen Bahnnetz zu nutzen, müssen nicht zwangsläufig auch Experten sein, wenn es gilt, verkehrstechnische Vorgaben so zu gestalten, dass sie den speziellen Bedürfnissen einer kleinen Region entsprechen.

1.5. Hybridantrieb mit Doppelschichtkondensator als Speicher

Letzterer ermöglicht Nutzbremsung und optimale Beschleunigung. Er ist leistungsstark, wartungsfrei, extrem langlebig und längst bewährter Stand der Technik. Mangels Energiedichte ist er aber für den, an Reichweite orientierten PKW-Betrieb ungeeignet, und daher sichtlich weniger bekannt. Ferner sind Alternativen zur Fahrstromerzeugung aus fossilem Brennstoff auf Verlässlichkeit und betriebswirtschaftliche Vorteile zu prüfen.

1.6. Schätzung und Gegenüberstellung von Investitionsaufwand und Effekt

Gemessen an der Tatsache, dass 80 Jahre lang fast ausschließlich in den Ausbau des bahnparallelen Straßenverkehrs investiert wurde, sind die akut anfallenden Kosten moderat. Ein verkehrswirtschaftlich richtungsweisendes Konzept kann mit erhöhten Chancen auf externe Förderungen rechnen.

Tab.6
Fuhrpark Mio. Euro in ortsfeste Anlagen Gesamtaufwand Mio. Euro Durchschnittsauslastung je Zug
Bedarf km je Stück u.Tag Preis Mio. Euro Werkstätte Gleise + Zug-sicherung Elektrifizierung erforderlichz. Kostendeckung: Bruttoerlös je Personen.km = 0,12 Euro 14 erzielbar durch Fahr-plandichte 12
Um-lauf Be-stand
2 scheidet wegenschlechter Ergebnisse in Tabelle 5 aus weiteren Erwägungen aus
3 3 Stk 5 Stk 410 km 25 2 3 40 70 44 Fahrgäste 30 Fahrg.
4 8 Stk 10 Stk 990 km 28 1 45 74 15 Fahrgäste 15 Fahrg.

Szenario 3 verspricht dauernden Zuschussbedarf, Szenario 4 Vollkostendeckung nach der Einführungsphase. Infrastrukturinvestitionen wurden als ansatzweiser Ausgleich bisheriger Versäumnisse nicht in die Vollkosten eingerechnet.

1.7. Resümee

Die in besagtem Landesbahnpapier erstellten Vergleiche verstoßen mehrfach gegen die „Ceteris-paribus-Bedingung“, eine Grundlage wissenschaftlicher Arbeit. So disqualifizieren sich die Autoren in dieser Sache selbst. Unter diesen Gegebenheiten war eine Exkursion in die Schweiz ein erster seriöser Ansatz. Dort konnten die Teilnehmer selbst sehen, dass zukunftsorientierter Bahnbetrieb keine Frage der Spurweite ist.
Es besteht also gleichermaßen Bedarf wie Hoffnung, dass Anregungen, die von Sachkenntnis getragen und nachvollziehbar dargelegt sind, den Entscheidungsprozess bereichern.


Quellen und Grundlagen:

9. Hans-Dieter Klammer, Leserbrief an „Kleine Zeitung“ 4. 6. 201410. 18000 PKWs; 15500 km/PKW Jahr; Vollkosten je PKW-Kilometer = 0,42 Euro; regionale Wertschöpfung = 20 Prozent

11. Regio-Data-Studie in: Heute, 24. 8. 2016, S. 5

12. Berechnung nach: Breimeier Rudolf: Der Einfluss des Faktors „Zeit“ auf den Personenverkehr der Eisenbahn, in: ETR 34 (1985) H.10-Okt. S. 747ff

13. Steiermärkische Landesbahnen, Murtalbahn Zukunftsperspektiven Stand 11/2014, S. 14 ff

14. Stundensätze: Triebfahrzeugführer: 38 Euro, Zugleiter: 48 Euro; Fahrzeugabschreibung: 4 % p.a.; Infrastrukturerhaltung:1 Mio. Euro p.a.

Der Verfasser: geb.: 1953; AHS-Abschluss: 1971; HTL-Abschluss: 1974; Lokführerprüfungen für zwei Traktionsarten: 1975/76; Busführerschein: 1976; Patent auf Verbesserungen am Autorückspiegel: 1988; … befasst sich seit Jahrzehnten mit Verkehrswirtschaft/Verkehrstechnik